Die 3+3-Initiative als neuer Ordnungsrahmen im Südkaukasus

Die 3+3-Initiative, an der drei südkaukasische Länder – Armenien, Aserbaidschan und Georgien – sowie drei wichtige Akteure – Iran, Türkei und Russland – alle Nachbarländer der Region – beteiligt sind, ist ein faszinierendes Beispiel für den bedeutenden Wandel der globalen Ordnung in den letzten Jahren. Die sich verändernde Machtbalance wurde durch den Krieg in der Ukraine und zuletzt durch die scheinbare Annäherung zwischen Moskau und Washington beschleunigt, die das bestehende geopolitische System in der gesamten Schwarzmeerregion, zu der auch der Südkaukasus gehört, völlig auf den Kopf stellt.

Daher ist es nicht überraschend, dass Diskussionen über die 3+3-Initiative in letzter Zeit an Popularität gewonnen haben, da viele sie als potenzielle Lösung für das Machtvakuum betrachten, das durch die Distanz des Westens zum Südkaukasus entsteht. Obwohl das 3+3-Format von allen Ländern außer Georgien angenommen wird und als eine Art Mini-Gipfeltreffen für die lokalen Akteure gilt, gibt es dennoch unterschiedliche Ansichten über die Wirksamkeit der Initiative.

Für Russland beispielsweise ist das 3+3-Format keine rundum angenehme Initiative, und die Teilnahme daran hat sowohl positive als auch negative Folgen. Einerseits bringt die Initiative Russland geopolitisch mit der Türkei und dem Iran in Einklang. Diese Situation steht jedoch in krassem Gegensatz dazu, dass Russland sich selbst immer als die führende Macht im Südkaukasus betrachtete. Die 3+3-Initiative ermöglicht daher eine Angleichung der geopolitischen Einflüsse von Moskau, Teheran und Ankara. Andererseits erreicht die 3+3-Initiative, wonach Moskau seit Langem strebt: den Ausschluss nicht-regionaler Mächte aus dem Südkaukasus. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Russlands Einverständnis mit der Türkei und dem Iran von Vorteil, da diese beiden Mächte aus dem Nahen Osten ebenfalls den Einfluss anderer Länder verringern wollen.

Anfangs war die Haltung Russlands gegenüber der 3+3-Initiative schwer zu erkennen. Eine Bereitschaft zur Teilnahme wurde kaum offen bekundet, und es schien, dass das russische Verständnis von der Notwendigkeit getrieben wurde, die Region ohne westlichen Einfluss neu zu ordnen. Dennoch stellt eine uneingeschränkte Unterstützung des Projekts für Moskau nach wie vor eine riskante Entscheidung dar, da dies den wachsenden Einfluss der Türkei im Südkaukasus institutionalisieren würde. Eine ähnliche Logik liegt der russischen Haltung gegenüber iranischen Initiativen für den Südkaukasus zugrunde.

Doch eine offene Ablehnung der vorgeschlagenen Formate ist für Russland ebenfalls keine Option, da dies Ankara und Teheran verärgern würde. Diese Entwicklung würde Moskaus Bemühungen um eine andere geopolitische Ordnung im Südkaukasus schaden, wo die Strategie der „regionalen Eigenverantwortung“ die Zusammenarbeit mit Ankara und Teheran vorsieht. Russland versucht, darauf zu achten, dass die beiden Staaten des Nahen Ostens nicht mehr Einfluss auf das Schicksal der Region gewinnen. In gewisser Weise strebt der Kreml im Südkaukasus eine Ordnung an, in der der Iran und die Türkei vertreten sind, aber die russischen Kerninteressen und geopolitischen Empfindlichkeiten berücksichtigt werden. Dies wird eine Ordnung sein, in der Russland eine Vormachtstellung unter den regionalen Mächten einnehmen will, da es erkennt, dass die Zeit der ausschließlichen Kontrolle über die Region endgültig vorbei ist.

Es stellt sich auch die Frage nach Georgien, das aufgrund der anhaltenden Besetzung seines Territoriums durch Russland eine Teilnahme an dem Format ablehnt. In Tiflis stellt sich die Frage, welche bedeutenden Handels-, Wirtschafts- oder Infrastrukturprojekte das 3+3-Format anbieten und umsetzen kann. Angesichts der Dynamik in der Region kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Georgien sich irgendwann an dem genannten Format beteiligen wird.

Es ist zwar schwierig, mit einem Nachbarn, der die territoriale Integrität Georgiens nicht anerkennt, an einem Tisch zu sitzen und über regionale Sicherheit zu sprechen, doch ist Georgien auch der Ansicht, dass das Land nicht von den Prozessen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ausgeschlossen werden sollte. Die geopolitischen Entwicklungen scheinen Georgien zu einem solchen Schritt zu drängen. Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen dem Westen und Georgien und des außenpolitischen Ansatzes mit mehreren Vektoren ist es in der Tat wahrscheinlich, dass Tiflis zunehmend an engeren Beziehungen zu seinen Nachbarn interessiert sein wird.

Die Idee des 3+3-Formats wurde erstmals nach dem Zweiten Bergkarabach-Krieg im Jahr 2020 vorgestellt. Es handelte sich jedoch nicht um eine völlig neue Plattform, da die Türkei seit langem regionale Formate fördert, die als Grundlage für die türkische Macht in der Region dienen sollen. So diskutierte beispielsweise der ehemalige türkische Präsident Süleyman Demirel eine Friedens- und Stabilitätsplattform für den Kaukasus, die darauf abzielte, den regionalen Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Der Plan sah vor, die Türkei und Russland als Hauptvermittler zusammen mit den drei Ländern des Südkaukasus einzubeziehen. Langfristig wird dieses Format höchstwahrscheinlich bestehen bleiben, unabhängig davon, wie effektiv die 3+3-Initiative ist, da sich die Geopolitik in der gesamten Schwarzmeerregion und in Eurasien im Allgemeinen stetig wandelt.

Emil Avdaliani ist Professor für internationale Beziehungen an der Europäischen Universität in Tiflis, und ein Experte der Seidenstraßen-Konzepte. Er kann über Twitter/X unter @emilavdaliani erreicht werden.

Siehe auch

"Caucasus Watch" sucht lokale Experten aus Georgien, Armenien, Aserbaidschan und der Nordkaukasus-Region. Wir bieten eine flexible Form der Zusammenarbeit, eine angemessene Vergütung und Zugang zu einer europaweiten Leserschaft. Senden Sie Ihren Lebenslauf, ein Bewerbungsschreiben und eine Arbeitsprobe an redaktion@caucasuswatch.de. Für Fragen: i.dostalik@caucasuswatch.de.

Wir verwenden Cookies, um unser Angebot für Sie zu verbessern. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.